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Hildegard von Bingen – Kurzportrait –
Was sie uns heute noch geben kann
„Die Bewegung der vernünftigen Seele
und das Werk des Körpers mit seinen
fünf Sinnen, aus denen der Mensch insgesamt
besteht, haben ein gleiches Maß, da die
Seele den Körper nicht mehr bewegt,
als jener wirken kann, und der Leib
nicht mehr ausführt, als von der Seele in Bewegung gesetzt wird.“
LIBER DIVINORUM OPERUM X, 20
Diese Zeilen stammen aus dem großen Werk der Hildegard von Bingen (nachfolgend abgekürzt H. v. B.). Es ist das Buch vom Wirken Gottes, vom Werden und Schicksal des Universums.
Wer heute den Namen der Heiligen Hildegard hört, hört ihn meist nicht zum erstem Mal. Sie gilt als Heilige, seit die Katholische Kirche sie durch Papst Benedikt XVI, 2012! (ja, so spät erst) kanonisiert, also in das Heiligenregister aufgenommen hat.
Mann oder Frau muss nicht besonders spirituell oder religiös sein, um bereits einmal von dieser Frau gehört zu haben, die im Jahre 1098, das genaue Datum ist überraschender Weise nicht bekannt, irgendwann zwischen dem 1. Mai und dem 17. September in Bermersheim bei Alzey im heutigen Rheinland das Licht der Welt erblickte.
Sie war das letztgeborene, 10. Kind von Mechthild und Hildebert von Bermersheim bei Alzey. Zu einer Zeit, als Frauen in der Welt noch keinen großen oder gar prägenden Einfluss hatten, schuf diese Universalgelehrte ein bedeutendes Erbe, welches sie uns als ihrer Nachwelt hinterließ, als sie am 17. September 1179 im Kloster Rupertsberg bei Bingen am Rhein im Alter von 81 Jahren starb. Seitdem ist der 17. September der Tag, an dem ihr zu Ehren gedacht wird.
Dass H. v. B. die bekannteste Frau des Mittelalters ist kommt sicher auch daher, dass ihr Name heute gerne für Produktwerbung genutzt wird. Kräuter, Gewürze, Elixiere, viele Produkte werden und sind mit ihrem Namen verknüpft worden. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. „Nervenkekse“ nach H. v. B., Südtirol-Urlaub nach H. v. B., Kochkurse nach H. v. B. usw.. Ihr Name ist auch heute, viele Jahrhunderte nach ihrem Tod, allgegenwärtig.
Ein Rezept für derartige Kekse habe ich zwar nicht gefunden, wohl aber zahlreiche Hinweise zu einer gesunden Ernährung. Ihr Name steht für ein unglaubliches Wissen. Sie kannte sich aus mit Edelsteinen, Tinkturen, Musik, Verwaltung, Ernährung, Heilung und mit der Natur.
Wer war diese Frau? Sie war eine Adelige, entstammte dem Hochadel, und wurde in ihrem 8. Lebensjahr von ihren Eltern zur religiösen Erziehung in ein Benediktinerkloster am Disibodenberg gebracht. Sie führt aus eigener, früher Überzeugung ein Leben im Glauben und wird selbst Äbtissin, als ihre Erzieherin, Gräfin Jutta von Sponheim, stirbt.
Als die junge Oblatin Richardis von Stade in das Kloster übergeben wird, entsteht eine tiefe seelische Verbindung zwischen den beiden Frauen. Richardis folgt später dem Ruf selbst Äbtissin in Bassum bei Bremen zu werden. H. v. B. versucht alles, dies und die damit unvermeidliche Trennung von Richardis zu verhindern.
Sie baut Druck auf, ergreift drastische Maßnahmen gegen den Weggang der geliebten Freundin, scheitert aber mit ihren Bemühungen. Ein Jahr später stirbt Richardis, woran, ist nicht bekannt.
So könnte H. v. B. heute, in der modernen Zeit vielleicht aussehen (Bildbearbeitung nach historischen Vorlagen).
Als H. v. B. 42 Jahre alt ist, im Jahre 1142, setzen Visionen ein. Sie selbst schrieb dazu rückblickend:
„…und in meinem dritten Lebensjahr sah ich ein so großes Licht, dass meine Seele erzitterte…“
Sie erhält den göttlichen Auftrag „Schreibe, was du siehst und hörst.“ So schildert sie es in ihrem ersten Werk „Scivias“ (lat. “Wisse die Wege“) .
„Es geschah im Jahre 1141 nach der Menschwerdung des Gottessohnes Jesus Christus, Evangelien und die übrigen katholischen Bücher des Alten und Neuen Testaments. …Die Geschichte aber, die ich sah, empfing ich nicht im Traum, nicht im Schlaf oder in Geistesverwirrung, nicht durch die leiblichen Augen und die äußeren Ohren, auch nicht an abgelegenen Orten, sondern ich erhielt sie in wachem Zustand, bei klarem Verstand, durch die Augen und Ohren des inneren Menschen, an zugänglichen Orten, wie Gott es wollte“… .
Zusammen mit ihrem persönlichen Sekretär, Probst Volmar, arbeitet H. v. B. 32 Jahre lang, bis zu ihrem 74. Lebensjahr, an ihren Visionsschriften.
Wibert von Gembloux, der letzte Sekretär und Vertraute, bleibt bei ihr in ihrem Kloster bis zu ihrem Tod. Er bat sie, die „Seherin vom Rhein“, um eine Beschreibung ihres Charismas. Als Charisma bezeichnet man in der Theologie die „Gesamtheit der durch den Geist Gottes bewirkten Gaben und Befähigungen eines Christen in der Gemeinde.“
Ihm gegenüber ergänzt sie:
…“ich sehe sie (die Dinge) vielmehr einzig mit meiner Seele und mit offenen leiblichen Augen, sodass ich niemals die Bewusstlosigkeit einer Ekstase erleide, sondern wachend schaue ich dies bei Tag und Nacht. Es ist viel, viel lichter als eine Wolke, die die Sonne in sich trägt“.
Es sind erste Prophezeiungen, die sie empfängt und mehr als mutig, dass sie den mächtigen Kirchenfürsten von ihren Wahrnehmungen Mitteilung macht und ihr nicht der Prozess wegen Häresie gemacht wird. Im Gegenteil: Sie erhält sogar die Anerkennung des Papstes Eugen III. als Mahnerin des Lichts, obwohl in Köln zur gleichen Zeit bereits erste Verurteilungen wegen Ketzerei stattfinden (s. : „1143 und 1163: Ketzer in Köln“ von Mario Kramp).
1147/1148 liest Papst Eugen III. auf einer Synode in Trier vor dort versammelten Kardinälen, Bischöfen und Theologen aus dem Buch „Scivitas“ vor. Es ist die Schau von der Schöpfung und der Erlösung der Welt.
Zuvor hatte er allerdings die seherische Gabe der H. v. B. von einer Kommission prüfen lassen und erkennt diese nicht nur an, sondern ermutigt sie auch, ihr Schaffen weiterzuführen.
Die Botschaft des Herrn ist klar und eindeutig: Gott ruft die Menschen zu Harmonie und Ordnung auf.
H. v. B. beginnt, theologische Schriften zu verfassen, unternimmt sogenannte Predigtreisen. Sie strebt nach Einfluss, den die Frauen in diesen Zeiten in Regel nicht hatten. Sie korrespondiert sogar mit Kaiser Barbarossa und dem Papst. Schließlich erfand sie eine Geheimsprache und Schrift (Lingua Ignota = lat. unbekannte Sprache).
Probst Volmar ist über 30 Jahre lang enger Vertrauter und Freund. Sie möchte ein eigenes Kloster gründen, doch die Abspaltung des Frauenklosters stößt auf Widerstand bei den Mönchen. Wiederholt kommt es im Zuge der Auseinandersetzungen zu vollständigen Lähmungen bei H. v. B. . Sie ist zeitlebens häufig krank, auch lebensbedrohlich. Doch wieder setzt sie sich durch… .
H. v. B. empfängt auf dieser Darstellung eine Botschaft Gottes im Beisein von Mönch Volmar.
1151 – 1158 arbeitet sie an ihren Werken „Physica“ (Heilkraft der Natur) und „Causae et Curae“ (Ursachen und Behandlungen der Krankheiten – Heilwissen).
1158-1163 schreibt sie „LIBER VITAE MERITORUM“, das Buch der Lebensverdienste
1165 gründet sie ein 2. Kloster am Rhein: Eibingen
Sie schreibt mahnende Briefe an die Mächtigen ihrer Zeit und betont doch stets, dass es ich nicht um ihre eigenen Ansichten handelt, sondern die Kritik an Kirche und Adel „von oben“, von Gott selbst kommt. Sie selbst sieht sich als Botin, als „Sprachrohr des göttlichen Lichts“. Dabei ist geht sie nicht eben zimperlich vor.
Insbesondere in der Korrespondenz mit Kaiser Barbarossa zeigt sie die ganze Bandbreite ihrer Schreibkunst. Sie versteht es, zu schmeicheln, indem Sie ihn als „anziehende Persönlichkeit“ betitelt, doch dann geht es los, in dem sie sehr deutlich die Probleme der Zeit benennt, die sie sieht:
…“Denn schwarz sind die Sitten der Fürsten, die in Ausgelassenheit und Schmutz daher laufen.“
Sie gibt dem Kaiser aber sogleich auch Verhaltensmaßregeln und Handlungsanweisungen mit:
„Es ist dringend notwendig, dass du in deinen Handlungen vorsichtig bist.“ Und wird gar gebieterisch warnend: „Der da ist spricht: Die Widerspenstigkeit störe ich, und den Widerstand derer, die mir trotzen, zermalme ich“… .
Damit beschwört sie den zürnenden Gott des Alten Testaments herauf, der die Menschen streng bestraft, wenn sie ihm nicht gehorchen und versucht scheinbar so, ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen wahr werden zu lassen, denn die Furcht vor dem rachsüchtigen Gott ist in ihrer Zeit weit verbreitet.
Was vielleicht eigennützig und ultimativ wirken mag durch den Versuch, beim Leser des Briefes Angst zu erzeugen, ist bei näherem Hinsehen und unter Berücksichtigung der damaligen Zeit vermutlich ein geeignetes und notwendiges Mittel, als Frau an Einfluss zu gewinnen und etwas zu bewegen.
Nicht zuletzt deshalb, weil Barbarossa selbst gefürchtet war, sich schwere Kämpfe mit dem Papst lieferte und immer wieder Gegenpäpste einsetzte, bedurfte es vermutlich eindringlicher Formulierungen, um den Kaiser zu dem von ihr gewünschten Handeln zu bewegen.
H. v. B. lebte in einer Zeit, in der Frauen nicht viel zu sagen hatten und Macht, Ruhm und Einfluss unter Männern aufgeteilt wurden. Für kluges und akademisches Streben war in der damaligen Gesellschaft kein Raum.
In diesem Zusammenhang muss man ihr Handeln sicher sehen um verstehen zu können, warum sie möglicherweise manchmal gehandelt hat, wie sie es tat, streng, fast ultimativ und fordernd.
In diesem Licht und in Befürchtungen der Art, dass es um das „Reich Gottes“ vielleicht nicht gutstünde, begann sie in der Zeit von 1158 bis 1171 sogenannte „Predigtreisen“ zu unternehmen. Sie fuhr nach Köln, Trier und Süddeutschland, um dort in Klöstern und auf Marktplätzen das Volk zu Buße und Umkehr aufzurufen. Sie war zu dieser Zeit bereits über 70 J. alt.
War H. v. B. Ärztin? Heilungen, Wunderheilungen sind in der Literatur beschrieben worden. Überliefert sind Heilungen durch Handauflegen, mit Rheinwasser oder mit der Hostie. Die Heilhandlungen sind bei heutiger Betrachtung sogenannte spirituelle oder auch charismatische Behandlungen. Einen Hinweis darauf, dass sie mit Heilmitteln aus ihren medizinischen Beschreibungen geheilt hätte, gibt es nicht.
Eine ärztliche Tätigkeit, wie wir sie heute bezeichnen würden, war es daher nicht, aber das macht sie nicht weniger wertvoll. Wer heilt, heißt es bekanntlich, hat Recht, und dass sie heilte, steht außer Frage.
H. v. B. starb am 17.09.1179 im Alter von 81 Jahren. Das Kloster Eibingen, welches sie einst gründete, gibt es nicht mehr. Sie hatte das Kloster Disibodenberg in der Zeit von 1147 bis 1150 verlassen.
Das neue, von ihr in dieser Zeit gegründete Kloster Eibingen lag auf dem Rupertsberg, linksseitig der Nahe bei ihrer Mündung in den Rhein, über dem Grab des Heiligen Rupert. Es wurde 1632 während des 30- jährigen Krieges zerstört.
Das heutige Kloster Eibingen/Abtei St. Hildegard wurde erst zu Beginn des letzten Jahrhunderts gebaut und liegt oberhalb der Stadt Rüdesheim. Es wurde nicht von ihr gegründet, aber heute leben dort 51 Benediktinerinnen.
Was kann Hildegard von Bingen uns heute noch geben?
Als jahrzehntelang leidenschaftliche Chorsängerin klassischer Musik habe ich mich der Heiligen Hildegard zunächst von der Musik, ihrer Musik her, genähert.
Wer heute ihre Musik hört und eine Beziehung zur Geistlichen Musik hat, der wird verzaubert sein. Ihr AVE GENEROSA etwa, dessen Text von der Mutter Gottes handelt, zieht den Zuhörer unweigerlich in seinen Bann, wenn es da heißt:
„Schönste und Leiblichste du,
wie sehr hat sich Gott an dir entzündet,
als er mit seiner Glut dich umarmte,
sodass sein Sohn von dir gesäugt wurde!“
Es erstaunte mich sehr, Werke von so professioneller Kunst zu hören, als ich zum ersten Mal die Kompositionen der H. v. B. hörte. Ich hatte etwas Schlichteres, Praktischeres erwartet, tauglich für den täglichen Gottesdienst, ein einfaches Handwerk eben.
Bei Universalgenies spüren wir gelegentlich so etwas wie Zweifel. Unbewusst oder bewusst suchen wir nach Fehlern oder Unzulänglichkeiten, gar noch nach Unwahrheiten, weil nicht glauben können oder wollen, dass ein anderer Mensch mit derart umfassenden Begabungen und Fähigkeiten gesegnet ist.
Doch egal, auf welchem Gebiet wir uns dieser Heiligen auch zuwenden, egal, auf welchem Gebiet sie sich auch betätigt hat, sie ist eine Kundige gewesen!
Hören Sie doch einmal hinein, genießen Sie diesen sakralen Klang und die schönen Stimmen! Auf YouTube finden Sie eine Reihe schöner Hildegard-Werke. Lübecker:innen haben zudem in der Passionszeit die Möglichkeit, H.v.B. mit „modernen Sounds“ zu hören, wie es die Lübecker Nachrichten in ihrer Ausgabe vom 31.03.2022 formulierten.
Als CD mit dem Titel: OHNE ZWEIFEL? MARIA gibt es Musik rund um die Frauengestalt Maria u. a. mit Gesängen der Heiligen Hildegard. Erhältlich ist die CD im Shop des St. Annen Museums und im Musikhaus Andresen.
Der entscheidende Bezugspunkt zu der Gesundheitslehre der H. v. B. ist die Betrachtung des Menschen und seiner Gesundheit. Nach Ihrer Lehre ist Heilung ein ganzheitlicher Prozess. Damit meint sie nicht nur den Bezug zur Seele und die heutige Psychosomatik, sondern sie betrachtet auch die Lebensführung, das Verhältnis zu Gott. Sie stellt das Leben des Menschen als Christ über alles!
Nur ein Leben in enger Gottbeziehung ermöglicht es dem Menschen überhaupt, sich seiner Gesundheit zu erfreuen. Diese Bedingung steht für sie über allem.
Für Hildegard gilt, kurz gesagt: Kein Christ, keine Gesundheit.
Mit dem Verständnis, dass Heilung des Menschen von Krankheit nicht nur den Körper betrifft, weil der Mensch kein Körper ist, sondern einen Körper hat, war sie ihrer Zeit weit voraus.
Noch in den 60-er und 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts beschränkte sich die Medizin bei der Bekämpfung von Krankheiten auf die Behandlung des Körpers. Selbst in unseren modernen Zeit des 21. Jahrhunderts heißt es z. B. in den „Leitbegriffen“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung noch 2018, also vor 4 Jahren:
„Die Krankheitsursprünge gelten als körperlich und damit als naturwissenschaftlich erklärbar…der menschliche Körper wird…möglichst kleinteilig analysiert.“
Sind wir also doch noch nicht so weit zu erkennen, das alles mit allem zusammenhängt?
Das Interesse an der Person H. v. B. und ihrer Lehre ist sehr groß, wie ich bei den Vorbereitungen für diesen Blog-Beitrag feststellte. Viele Menschen suchen ihre Lehren, weil sie instinktiv spüren, dass unser heutiges Leben mit Fertigküche und chronischem Mangel an frischer Luft und Bewegung und den daraus resultierenden Zivilisationskrankheiten nicht natürlich ist.
Sie wissen um das Zusammenspiel von Körper und Seele und es wird Zeit, dass die Erkenntnis des „potenziellen Patienten“ auch in der Medizin ankommt.
Aber:
Mit diesem Bedürfnis geht in der Regel das Bestreben einher, mit der Natur besser im Einklang zu leben, welches immer mehr Menschen veranlasst, die gewohnten Pfade zu verlassen, weil sie sich mit sich und der Welt nicht mehr im Einklang fühlen. Die „Achtsamkeitsbewegung“ entspringt m. E. so einer Wahrnehmung.
Die Kräuterkunde „Causae et Curae“ weist sehr viele Anweisungen auf, die nach Beschwerden geordnet auch für den medizinischen Laien gut zu finden sind, wenn, ja wenn wir nach dem richtigen Krankheitsnamen schauen.
Doch manche Krankheiten hießen in der damaligen Zeit ganz anders, manche gab es noch gar nicht. Gleiches gilt für die Pflanzen, welche nach Hildegard für die Heilung benötigt würden.
Beispiel: Ich selbst litt einmal eine Weile lang an tränenden Augen. Ich suchte nach einer Rezeptur zur Linderung und Beseitigung der Beschwerden, und fand bei Hildegard folgende Empfehlung:
„Wer nässende Augen hat, wie wenn sie tränten, soll ein Feigenblatt pflücken, das in der Nacht vom Tau gründlich benetzt worden ist, wenn die Sonne es an seinem Zweig bereits erwärmt hat, und so warm auf seine Augen legen, um deren Feuchtigkeit einzuschränken“.
Die Handhabung dieser Rezeptur scheiterte im ersten Ansatz leider schon daran, dass ich kein Feigenblatt auftreiben konnte.
Die Befolgung der Heilungsempfehlungen der Heiligen Hildegard begegnet im Alltag des kranken Menschen neben diesen beiden Schwierigkeiten auch dem Hindernis, dass eine Anwendung ihrer Ratschläge 1 : 1 erst richtig krank machen kann, denn: Die Lebensmittel und Pflanzen haben meist nicht mehr die Qualität, die sie zu Zeiten dieser Heilerin hatten.
Wir können heute kein „Wasser des Rheins“ mehr trinken in der Hoffnung, dass es „schädliche und krankmachende Säfte des Menschen tilgt.“ Das Wasser des inzwischen „vergifteten“ Rhein kann heute nach Hunderten von Jahren nicht mehr als Heilmittel dienen, um nur ein Beispiel zu nennen.
Wie kann ich „Physica“ und „Causae et Cururae“ heute für mich nutzbar machen?
Wir leben im 21. Jahrhundert und nicht mehr im 12. . Nicht nur die Umwelt, unsere Umwelt hat sich stark verändert. Auch unsere Körper haben sich den veränderten Lebensbedingungen angepasst. Wir verbringen heute vielfach den ganzen Tag sitzend im Büro und haben nicht selten Übergewicht, weil wir zu viel essen.
Auch von Hildegard empfohlene Erzeugnisse der Landwirtschaft haben in der heutigen Zeit nicht mehr die Qualität, als das wir sie uns für einen Heilungsprozess nutzbar machen könnten.
Lebensmittel, die aus der menschlichen, deutschen Küche nicht mehr wegzudenken sind wie die Kartoffel z. B., gab es damals noch gar nicht. Kurz: Wir brauchen zum Verständnis der Werke der H. v. B. Hilfe, um uns nicht zu schaden.
Fachkundige Übersetzungen geben uns die Sicherheit, die „richtigen“ Edelsteine, Lebensmittel usw. für uns zu benutzen.
Zudem sind wir nicht immer sicher, dass es “echte“ Empfehlungen von H. v. B. sind. Abschriften und Abschriften von Abschriften, wie bei der „Physica“ ,lassen uns zu Recht zweifeln, wer uns gerade eine Empfehlung gibt.
Wir brauchen also, wenn wir nicht gerade selbst nachforschen wollen, einen Kundigen, der historisch bewanderter Hildegardkenner ist.
Fazit:
Die Heilige Hildegard von Bingen hat uns einen Wissensschatz hinterlassen, der auch heute für uns von unschätzbarem Wert ist. Doch wie ein Rohdiamant erst geschliffen werden muss um in Schönheit zu erstrahlen, müssen wir uns dieses Wissen erst erschließen.
Wir brauchen überdies verschiedene „Schlüssel“ wie kluge Übersetzungen und sehr gute Kenntnisse oder Kenner der Historie. Wir können ihre Empfehlungen heute nicht mehr einfach wörtlich befolgen, sondern müssen sehr sorgfältig prüfen, ob heute noch gelten kann, was geschrieben steht und sollten skeptisch sein, wenn mit ihrem Namen und in ihrem Namen Geld verdient werden soll. Damit zollen wir ihr den Respekt, der ihr gebührt.
Empfehlungen zum Weiterlesen bzw. Schauen:
Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen – Film von Margarethe von Trotta (2009)
Die große Heilkunde der Hildegard von Bingen
Gesundheit
Ernährung
Edelsteinkunde
Hl. Hildegard – Heilkraft der Natur – PHYSICA
Pattlochverlag 1991